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== Fundorte ==
 
== Fundorte ==
 
* [[Bardenakademie (Ort)|Bardenakademie]]
 
* [[Bardenakademie (Ort)|Bardenakademie]]
* [[Festung Bruchzahn]], inside
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* [[Festung Bruchzahn]], im Inneren
 
* [[Festung Dämmerlicht]]
 
* [[Festung Dämmerlicht]]
* [[Festung Schneefalke]], inside
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* [[Festung Schneefalke]], im Inneren
 
* [[Haemars Schande]]
 
* [[Haemars Schande]]
* [[Tower of Mzark]], in a knapsack
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* [[Turm von Mzark]], in einem Rucksack
 
* [[Palast der Könige]] in [[Windhelm]]
 
* [[Palast der Könige]] in [[Windhelm]]
 
* [[Gut Riftwald]]
 
* [[Gut Riftwald]]
 
* [[Dämmergrab]]
 
* [[Dämmergrab]]
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* [[Keller von Largashbur]]
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== Inhalt ==
 
== Inhalt ==
 
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|[[File:M letter.png|x40px|baseline|alt=M]]an schrieb das Jahr 3Ä 405. Die Feierlichkeiten zum tausendjährigen Bestehen des bretonischen Königreiches Camlorn waren in vollem Gange. Jeder größere Platz und jede kleine Gasse waren mit goldenen und purpurnen Bannern behangen. Manche von ihnen waren einfarbig, manche mit den Insignien der königlichen Familie oder denen der unzähligen Provinzen und Herzogtümer bestickt, die dem König als Vasallen dienten. In jedem Winkel spielten Musiker auf, und an jeder Straßenecke konnte man andere exotische Gaukler sehen: Schlangenbeschwörer der Rothwardonen, khajiitische Akrobaten, mächtige Magier und Artisten, deren geschickte Fähigkeiten es ihnen trotz mangelnden Zauberfähigkeiten erlaubten, ebenso mächtig zu erscheinen.
|[[File:T letter.png|x40px|baseline|alt=T]]he year was 3E 405. The occasion was the millennial celebration of the founding of the Breton Kingdom of Camlorn. Every grand boulevard and narrow alley was strung with gold and purple banners, some plain, some marked with the heraldic symbols of the Royal Family or the various principalities and dukedoms which were vassals of the King. Musicians played in the plazas great and small, and on every street corner was a new exotic entertainer: Redguard snake charmers, Khajiiti acrobats, magicians of genuine power and those whose flamboyant skill was equally impressive if largely illusion.
 
   
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Der Anblick, der die meisten Männeraugen der Stadt fesselte, war der Marsch der Schönheit. Um die tausend hübsche, junge Frauen tanzten aufreizend gekleidet die lange, weite Hauptstraße entlang: vom Tempel der Sethiete zum königlichen Palast. Die Männer schubsten und drängelten einander, reckten ihre Hälse und wählten ihre Favoritinnen. Es war kein Geheimnis, dass all diese Frauen Prostituierte waren, die nach dem Marsch und dem Blumenfest in den Abendstunden noch für wesentlich intimere Vergnügungen zur Verfügung standen.
The sight that drew most of the male citizens of Camlorn was the March of Beauty. A thousand comely young women, brightly and provocatively dressed, danced their way down the long, wide main street of the city, from the Temple of Sethiete to the Royal Palace. The menfolk jostled one another and craned their necks, picking their favorites. It was no secret that they were all prostitutes, and after the March and the Flower Festival that evening, they would be available for more intimate business.
 
   
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Gyna zog mit ihrem groß gewachsenen, wohlproportionierten Körper, der nur von ein paar Streifen aus Seide verdeckt wurde, und ihrem flachsblonden Haar, in das sie sich Blumen gesteckt hatte, viele Blicke auf sich. Fast 30 Jahre alt, war sie zwar nicht mehr die Jüngste, aber mit Sicherheit eine der Begehrtesten von allen. Obwohl man an ihrem Verhalten erkennen konnte, dass sie anzügliche Blicke gewohnt war, begeisterte sie die prunkvoll geschmückte Stadt. Im Vergleich zu dem schäbigen Quartier in Daggerfall, das sie ihr Zuhause nannte, schien Camlorn auf dem Höhepunkt der Festlichkeiten fast unwirklich schön. Und was noch viel seltsamer anmutete: Die Stadt, die sie nie vorher gesehen hatte, war ihr irgendwie vertraut.
Gyna attracted much of the attention with her tall, curvaceous figure barely covered by strips of silk and her curls of flaxen hair specked with flower petals. In her late twenties, she wasn't the youngest of the prostitutes, but she was certainly one of the most desirable. It was clear by her demeanor that she was used to the lascivious glances, though she was far from jaded at the sight of the city in splendor. Compared to the squalid quarter of Daggerfall where she made her home, Camlorn at the height of celebration seemed so unreal. And yet, what was even stranger was how, at the same time, familiar it all looked, though she had never been there before.
 
   
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Gräfin Jyllia, die Tochter des Königs, ritt aus den Toren des Palastes und verfluchte sofort die unpässliche Situation, in die sie geraten war. Denn sie hatte den Marsch der Schönheit gänzlich vergessen. In den Straßen herrschte völliges Chaos und an ein Fortkommen war kaum zu denken. Es würde noch Stunden dauern, bis der Marsch vorüber sein würde, und sie dabei hatte doch ihrem alten Kindermädchen Ramke versprochen, sie in ihrem Haus im Süden der Stadt zu besuchen. Jyllia überlegte einen Moment lang, stellte sich im Geiste die Straßenzüge vor und beschloss, eine Abkürzung an der Hauptstraße und am Marsch vorbei zu nehmen.
The King's daughter Lady Jyllia rode out of the palace gates, and immediately cursed her misfortune. She had completely forgotten about the March of Beauty. The streets were snarled, at a standstill. It would take hours to wait for the March to pass, and she had promised her old nurse Ramke a visit in her house south of the city. Jyllia thought for a moment, picturing in her mind the arrangement of streets in the city, and devised a shortcut to avoid the main street and the March.
 
   
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Ein paar Minuten lang ging ihr Plan auf. Sie bahnte sich ihren Weg durch schmale, verwinkelte Seitenstraßen, bis sie auf eine Reihe von Zelten und Buden stieß, die man für die Feierlichkeiten mitten auf dem Weg errichtet hatte. In wenigen Sekunden hatte sie sich in der Stadt verirrt, in der sie bis auf fünf Jahre ihr ganzes Leben verbracht hatte.
For a few minutes she felt very clever as she wound her way through tight, curving side streets, but presently she came upon temporary structures, tents and theaters set up for the celebration, and had to improvise a new path. In no time at all, she was lost in the city where she had lived all but five years of her life.
 
   
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Am Ende einer Gasse sah sie die dicht bevölkerte Hauptstraße, in der der Marsch der Schönheit in vollem Gange war. In der Hoffnung, dass dieser Alptraum ein Ende nehmen und sie sich nicht erneut verirren würde, lenkte sie ihr Pferd in Richtung des Festes. Dabei übersah sie den Schlangenbeschwörer am Eingang der Gasse. Als dessen Schlange sich zischend aufrichtete, bäumte sich ihr Pferd voller Angst auf.
Peering down an alley, she saw the main avenue crowded with the March of Beauty. Hoping that it was the tale end, and desirous not to be lost again, Lady Jyllia guided her horse toward the festival. She did not see the snake-charmer at the mouth of the alley, and when his pet hissed and spread its hood, her charge reared up in fear.
 
   
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Die Frauen in der Parade hielten den Atem an und wichen zurück, aber es gelang Gräfin Jyllia schnell, ihren Hengst zu beruhigen. Beschämt sah sie sich den Aufruhr an, den sie verursacht hatte.
The women in the parade gasped and surged back at the sight, but Lady Jyllia quickly calmed her stallion down. She looked abashed at the spectacle she had caused.
 
"My apologies, ladies," she said with a mock military salute.
 
   
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"Entschuldigt, meine Damen", sagte sie und machte dabei zum Scherz eine militärische Geste.
"It's all right, madam," said a blonde in silk. "We'll be out of your way in a moment."
 
   
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"Keine Ursache, werte Dame", antwortete eine in Seide gehüllte Blondine. "Wir sind gleich aus Eurem Weg verschwunden."
Jyllia stared as the March passed her. Looking at that whore had been like looking in a mirror. The same age, and height, and hair, and eyes, and figure, almost exactly. The woman looked back at her, and it seemed as if she was thinking the same thing.
 
   
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Jyllia starrte in die vorbeilaufende Menge. Der Blick auf diese Hure war wie ein Blick in den Spiegel gewesen. Alter, Größe, Haar, Augen und Figur waren fast genau gleich. Die Frau sah sich nach ihr um, so als hätte sie das Gleiche empfunden.
And so Gyna was. The old witches who sometimes came in to Daggerfall had sometimes spoke of doppelgangers, spirits that assumed the guise of their victims and portended certain death. Yet the experience had not frightened her: it seemed only one more strangely familiar aspect of the alien city. Before the March had danced it way into the palace gates, she had all but forgotten the encounter.
 
   
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Und das hatte auch Gyna. Die alten Hexen, die des Öfteren nach Daggerfall kamen, sprachen manchmal von Doppelgängern - Geistern, die die Gestalt ihrer Opfer annahmen und Vorboten eines nahen Todes waren. Trotzdem hatte sie dieses Erlebnis nicht in Angst versetzt. Seltsamerweise fühlte sie sich jetzt in der fremden Stadt sogar heimischer als zuvor. Noch bevor der Marsch die Tore des Palastes erreicht hatte, hatte sie ihre seltsame Begegnung vergessen.
The prostitutes crushed into the courtyard, as the King himself came to the balcony to greet them. At his side was his chief bodyguard, a battlemage by the look of him. As for the King himself, he was a handsome man of middle age, rather unremarkable, but Gyna was awed at the sight of him. A dream, perhaps. Yes, that was it: she could see him as she had dreamt of him, high above her as he was now, bending now to kiss her. Not a one of lust as she had experienced before, but one of small fondness, a dutiful kiss.
 
   
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Die Prostituierten strömten in den Hof und der König trat persönlich auf den Balkon, um sie zu begrüßen. An seiner Seite stand sein Hauptleibwächter, der vom Aussehen her ein Kriegsmagier sein musste. Der König selbst war ein ansehnlicher, jedoch etwas unscheinbarer Mann mittleren Alters, dessen Anblick Gyna unglaublichen Respekt einflößte. Vielleicht war es ein Traum. Ja, so musste es wohl sein: Sie konnte ihn sehen, so wie sie ihn in ihren Träumen gesehen hatte. Er stand nun direkt über ihr und beugte sich herab, um sie zu küssen. Kein Kuss aus Leidenschaft, ein Kuss aus Höflichkeit würde es sein.
"Dear ladies, you have filled the streets of the great capitol of Camlorn with your beauty," cried the King, forcing a silence on the giggling, murmuring assembly. He smiled proudly. His eyes met Gyna's and he stopped, shaken. For an eternity, they stayed locked together before His Highness recovered and continued his speech.
 
   
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"Werte Damen, die Ihr die Straßen der großartigen Stadt Camlorn mit Eurer Schönheit erfüllt", rief der König und zwang damit die kichernde, murmelnde Menschenmenge zur Ruhe. Er lächelte stolz. Dann trafen seine Augen auf Gyna und er hielt betroffen inne. Eine Ewigkeit lang starrten sie sich an, bis Seine Hoheit sich wieder auf seine Pflichten besann und seine Rede fortsetzte.
Afterwards, while the women were all en route back to their tents to change into their costumes for the evening, one of the older prostitutes approached Gyna: "Did you see how the King looked at you? If you're smart, you'll be the new royal mistress before this celebration ends."
 
   
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Als die Frauen auf dem Weg zurück in ihre Zelte waren, um sich auf den Abend vorzubereiten, kam eine der älteren Prostituierten zu Gyna: "Habt Ihr gesehen, wie der König Euch angesehen hat? Wenn Ihr es schlau anstellst, seid Ihr die neue königliche Mätresse, noch bevor das Fest zu Ende ist."
"I've seen looks of hunger before, and that wasn't one of them," laughed Gyna. "I'd wager he thought I was someone else, like that lady who tried to run us over with her horse. She's probably his kin, and he thought she had dressed up like a courtesan and joined the March of Beauty. Can you imagine the scandal?"
 
   
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"Ich weiß, was verzehrende Blicke sind, und das war keiner", entgegnete Gyna lachend. "Ich vermute, er hat mich mit jemandem wie der Dame verwechselt, die uns fast mit dem Pferd niedergetrampelt hätte. Sie gehört bestimmt zu seiner Familie und jetzt denkt er sicherlich, dass sie sich wie eine Kurtisane angezogen hat, um am Marsch der Schönheit teilzunehmen. Könnt Ihr Euch einen solchen Skandal vorstellen?"
When they arrived at the tents, they were greeted by a stocky, well-dressed young man with a bald pate and a commanding presence of authority. He introduced himself as Lord Strale, ambassador to the Emperor himself, and their chief patron. It was Strale who had hired them, on the Emperor's behalf, as a gift to the King and the kingdom of Camlorn.
 
   
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Als sie bei ihren Zelten eintrafen, wurden sie von einem etwas stämmigen, aber gut gekleideten, glatzköpfigen jungen Mann begrüßt, den eine Aura der Autorität umgab. Er stellte sich als Fürst Strale vor, Botschafter des Kaisers und ihr Schirmherr. Er war es, der sie im Auftrag des Kaisers als Geschenk für den König und das Königreich Camlorn angeheuert hatte.
"The March of Beauty is but a precursor to the Flower Festival tonight," he said. Unlike the King, he did not have to yell to be heard. His voice was loud and precise in its natural modulations. "I expect each of you to perform well, and justify the significant expense I've suffered bringing you all the way up here. Now hurry, you must be dressed and in position on Cavilstyr Rock before the sun goes down."
 
   
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"Der Marsch der Schönheit ist nur ein Vorbote des Blumenfestes heute Abend", sagte er. Anders als der König musste er nicht schreien, um sich Gehör zu verschaffen. Seine Stimme war laut und in ihrer Modulation sauber und exakt. "Ich erwarte von jeder von euch, dass ihr gute Arbeit leistet und die nicht unbedeutenden Kosten rechtfertigt, die mir durch eure Einladung hierher entstanden sind. Jetzt beeilt euch. Ihr müsst umgezogen auf dem Cavilstyr-Felsen sein, bevor die Sonne untergeht."
The ambassador needn't have worried. The women were all professionals, experts at getting dressed and undressed with none of the time-consuming measures less promiscuous females required. His manservant Gnorbooth offered his assistance, but found he had little to do. Their costumes were simplicity itself: soft, narrow sheets with a hole for their heads. Not even a belt was required, so the gowns were open at the sides exposing the frame of their skin.
 
   
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Der Botschafter hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Anders als normale Frauen waren diese geübt darin, sich schnell an- und auszuziehen, ohne dabei viel Zeit zu verschwenden. Sein Diener Gnorbooth bot seine Hilfe an, hatte aber nur wenig zu tun. Ihre Kostüme waren einfach: Es waren dünne, weiche Laken mit einem Loch, um den Kopf hindurch zu stecken. Nicht einmal Gürtel waren vonnöten. So blieben die Seiten der Kleider offen und man konnte die Haut durchblitzen sehen.
So it was long before the sun had set that the prostitutes turned dancers were at Cavilstyr Rock. It was a great, wide promontory facing the sea, and for the occasion of the Festival of Flowers, a large circle of unlit torches and covered baskets had been arranged. As early as they were, a crowd of spectators had already arrived. The women gathered in the center of the circle and waited until it was time.
 
   
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So kam es, dass die Prostituierten, die sich nun in Tänzerinnen verwandelt hatten, schon lange vor Sonnenuntergang am Cavilstyr-Felsen waren: ein großer, breiter Felsvorsprung, auf dem zur Feier des Blumenfestes ein großer Kreis aus Fackeln und bedeckten Körben aufgestellt worden war. Obwohl sie viel früher als nötig dort eingetroffen waren, warteten bereits zahlreiche Schaulustige auf sie. Die Frauen begaben sich in die Mitte des Kreises und warteten ihrerseits, bis es an der Zeit war.
Gyna watched the crowd as it grew, and was not surprised when she saw the lady from the March approaching, hand-in-hand with a very old, very short white-haired woman. The old woman was distracted, pointing out islands out at sea. The blonde lady seemed nervous, unsure of what to say. Gyna was used to dealing with uneasy clients, and spoke first.
 
   
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Gyna beobachtete die wachsende Menge und war nicht sonderlich überrascht, als sie die Dame vom Marsch wiedersah, die eine sehr alte und sehr kleine weißhaarige Frau an der Hand führte. Die alte Dame war abgelenkt und zeigte auf einige Inseln im Meer. Die blonde Frau schien unsicher zu sein, so als wüsste sie nicht genau, was sie sagen sollte. Gyna, die den Umgang mit schwierigen Kunden gewohnt war, ergriff zuerst das Wort. "Schön Euch wiederzusehen, edle Dame. Ich bin Gyna aus Daggerfall."
"Good to see you again, madam. I am Gyna of Daggerfall."
 
   
"I'm glad you bear me no ill will because of the whores, I mean horse," the lady laughed, somewhat relieved. "I am Lady Jyllia Raze, daughter of the King."
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"Ich bin froh, dass Ihr mir wegen des Vorfalls mit dem Pferd nicht böse seid", sagte die Dame und lachte erleichtert. "Ich bin Gräfin Jyllia Raze, die Tochter des Königs."
   
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"Ich dachte immer, dass man die Töchter von Königen Prinzessin nennt", sagte Gyna lächelnd.
"I always thought that daughters of kings were called princess," smiled Gyna.
 
   
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"In Camlorn macht man das nur bei Thronerben so. Ich habe einen jüngeren Bruder, ein Sohn der neuen Frau meines Vaters, den er bevorzugt", entgegnete Jyllia. Sie spürte, wie ihr schwindelig wurde. Es war völliger verrückt, mit einer gewöhnlichen Prostituierten zu sprechen und dann auch noch über intimste Familienverhältnisse. "Wo wir gerade bei diesem Thema sind, muss ich Euch etwas fragen. Habt Ihr je von Prinzessin Talara gehört?"
"In Camlorn, only when they are heirs to the throne. I have a younger brother from my father's new wife whom he favors," Jyllia replied. She felt her head swim. It was madness, speaking to a common prostitute, talking of family politics so intimately. "Relative to that subject, I must ask you something very peculiar. Have you ever heard of the Princess Talara?"
 
   
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Gyna dachte einen Moment lang nach: "Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Warum sollte ich?"
Gyna thought a moment: "The name sounds somewhat familiar. Why would I have?"
 
   
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"Ich weiß nicht. Das ist ein Name, von dem ich dachte, dass Ihr Euch vielleicht daran erinnern könntet", seufzte Gräfin Jyllia. "Wart Ihr schon einmal in Camlorn?"
"I don't know. It was a name I just thought you might recognize," sighed Lady Jyllia. "Have you been to Camlorn before?"
 
   
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"Falls ja, muss ich damals noch sehr jung gewesen sein", sagte Gyna, und plötzlich überkam sie das Gefühl, diesmal von ihrer Seite Vertrauen zeigen zu müssen. Irgendetwas an Gräfin Jyllias freundlicher und entgegenkommender Art berührte sie zutiefst. "Um ehrlich zu sein, ich kann mich an nichts aus meiner Kindheit erinnern, was vor meinem zehnten Geburtstag geschehen ist. Vielleicht war ich mit meinen Eltern, wer immer die auch waren, hier, als ich noch ein kleines Mädchen war. Ich habe durchaus das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, aber die Stadt, der König und Ihr scheint ... es scheint mir so, als hätte ich das alles vor langer Zeit schon einmal gesehen."
"If I did, it was when I was very young," said Gyna, and suddenly she felt it was her turn to be trusting. Something about the Lady Jyllia's friendly and forthcoming manner touched her. "To be honest, I don't remember anything at all of my childhood before I was nine or ten. Perhaps I was here with my parents, whoever they were, when I was a little girl. I tell you, I think perhaps I was. I don't recall ever being here before, but everything I've seen, the city, you, the King himself, all seem ... like I've been here before, long ago."
 
Lady Jyllia gasped and took a step back. She gripped the old woman, who had been looking out to sea and murmuring, by the hand. The elderly creature looked to Jyllia, surprised, and then turned to Gyna. Her ancient, half-blind eyes sparkled with recognition and she made a sound like a grunt of surprise. Gyna also jumped. If the King had seemed like something out of a half-forgotten dream, this woman was someone she knew. As clear and yet indistinct as a guardian spirit.
 
   
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Gräfin Jyllia schluckte und trat einen Schritt zurück. Sie nahm die alte Frau, die auf das Wasser blickte und dabei etwas murmelte, bei der Hand. Die verhutzelte Gestalt sah Jyllia erstaunt an und drehte sich dann zu Gyna um. Ihre trüben, halbblinden Augen funkelten auf und sie stieß ein Geräusch des Erstaunens aus. Gyna schreckte zurück. Wenn der König wie jemand aus einem halbvergessenen Traum war, so war dies eine Person, die sie kannte. So klar und doch so undeutlich wie ein Schutzgeist.
"I apologize," stammered Lady Jyllia. "This is my childhood nursemaid, Ramke."
 
   
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"Ich muss mich entschuldigen", stammelte Gräfin Jyllia. "Das ist mein altes Kindermädchen, Ramke."
"It's her!" the old woman cried, wild-eyed. She tried to run forward, arms outstretched, but Jyllia held her back. Gyna felt strangely naked, and pulled her robe against her body.
 
   
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"Sie ist es!" schrie die alte Frau und riss dabei die Augen weit auf. Sie versuchte, mit offenen Armen nach vorne zu laufen, aber Jyllia hielt sie zurück. Gyna fühlte sich seltsam nackt und zog ihren Umhang enger um ihren Körper.
"No, you're wrong," Lady Jyllia whispered to Ramke, holding the old woman tightly. "The Princess Talara is dead, you know that. I shouldn't have brought you here. I'll take you back home." She turned back to Gyna, her eyes welling with tears. "The entire royal family of Camlorn was assassinated over twenty years ago. My father was Duke of Oloine, the King's brother, and so he inherited the crown. I'm sorry to have bothered you. Goodnight."
 
   
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"Nein, da irrt Ihr Euch", flüsterte Gräfin Jyllia Ramke zu und hielt sie fest. "Die Prinzessin Talara ist tot. Ihr solltet das wissen. Ich hätte Euch nicht herbringen dürfen. Ich werde Euch wieder nach Hause bringen." Sie drehte sich mit Tränen in den Augen zu Gyna um. "Die gesamte königliche Familie von Camlorn wurde vor über zwanzig Jahren umgebracht. Mein Vater, der Herzog von Oloine, war der Bruder des Königs und erbte daher die Krone. Es tut mir leid, Euch belästigt zu haben. Gute Nacht."
Gyna gazed after Lady Jyllia and the old nurse as they disappeared into the crowd, but she had little time to consider all she had heard. The sun was setting, and it was time for the Flower Festival. Twelve young men emerged from the darkness wearing only loincloths and masks, and lit the torches. The moment the fire blazed, Gyna and all the rest of the dancers rushed to the baskets, pulling out blossoms and vines by the handful.
 
   
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Gyna blickte Gräfin Jyllia und dem alten Kindermädchen hinterher, als diese in der Menge verschwanden. Es blieb ihr allerdings wenig Zeit, über die Dinge, die sie gehört hatte, nachzudenken. Die Sonne ging unter und es war an der Zeit für das Blumenfest. Zwölf junge Männer traten, nur mit Lendenschurz bekleidet, aus der Dunkelheit und entzündeten die Fackeln. Als das Feuer aufflammte, rannten Gyna und die anderen Tänzerinnen zu den Körben und zogen Blumen und Weintrauben heraus.
At first, the women danced with one another, sprinkling petals to the wind. The crowd then joined in as the music swelled. It was a mad, beautiful chaos. Gyna leapt and swooned like a wild forest nymph. Then, without warning, she felt rough hands grip her from behind and push her.
 
   
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Zuerst tanzten die Frauen nur miteinander und streuten dabei Blumen in den Wind. Als die Musik dann lauter wurde, schloss sich die Menge dem Reigen an. Es war ein verrücktes, wunderschönes Durcheinander. Gyna drehte sich und hüpfte wie eine Waldnymphe. Dann, ohne Vorwarnung, spürte sie plötzlich, wie raue Hände sie von hinten ergriffen und ihr einen Stoß versetzten.
She was falling before she understood it. The moment the realization hit, she was closer to the bottom of the hundred foot tall cliff than she was to the top. She flailed out her arms and grasped at the cliff wall. Her fingers raked against the stone and her flesh tore, but she found a grip and held it. For a moment, she stayed there, breathing hard. Then she began to scream.
 
   
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Noch bevor sie verstand, was geschah, war sie schon im Fallen begriffen. Als sie sich ihrer Lage bewusst wurde, befand sie sich bereits nahe des Fußes der gut 30 Meter hohen Klippe. Sie breitete die Arme aus und griff nach der Felswand. Ihre Finger schlugen gegen den Stein, der ihr das Fleisch aufriss, doch es gelang ihr, Halt zu finden. Einen Moment lang hielt sie inne und atmete schwer. Dann begann sie zu schreien.
The music and the festival were too loud up above: no one could hear her - she could scarcely hear herself. Below her, the surf crashed. Every bone in her body would snap if she fell. She closed her eyes, and a vision came. A man was standing below her, a King of great wisdom, great compassion, looking up, smiling. A little girl, golden-haired, mischievous, her best friend and cousin, clung to the rock beside her.
 
   
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Doch die Musik und der Lärm des Festes waren zu laut: Niemand konnte sie hören, sie konnte ihre Schreibe kaum selbst hören. Unter ihr krachte die Brandung an den Fels. Jeder Knochen ihres Körpers würde beim Sturz brechen. Sie schloss die Augen und eine Vision kam näher. Ein Mann stand unter ihr. Ein König, voll von Mitgefühl und Weisheit, sah zu ihr hinauf und lächelte. Ein kleines Mädchen mit goldenen Haaren, vielleicht ihre beste Freundin, hing am Felsen neben ihr.
"The secret to falling is making your body go limp. And with luck, you won't get hurt," the girl said. She nodded, remembering who she was. Eight years of darkness lifted.
 
   
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"Das Geheimnis beim Fallen ist, sich zu entspannen und den Körper ganz locker zu lassen. Mit ein bisschen Glück wird dir nichts geschehen", sagte das Mädchen. Sie nickte, als ihr einfiel, wer sie war. Acht Jahre der Dunkelheit lüfteten sich.
She released her grip and let herself fall like a leaf into the water below.
 
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Sie lockerte ihren Griff und ließ sich wie ein Blatt in die Tiefen des Wassers unter ihr fallen.
 
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{{SORTIERUNG:Geheimnis von Prinzessin Talara, Band 1}}
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[[en:Mystery of Talara, v 1]]

Aktuelle Version vom 14. Januar 2018, 07:15 Uhr



Beschreibung :

Fundorte



Inhalt[ | ]

Man schrieb das Jahr 3Ä 405. Die Feierlichkeiten zum tausendjährigen Bestehen des bretonischen Königreiches Camlorn waren in vollem Gange. Jeder größere Platz und jede kleine Gasse waren mit goldenen und purpurnen Bannern behangen. Manche von ihnen waren einfarbig, manche mit den Insignien der königlichen Familie oder denen der unzähligen Provinzen und Herzogtümer bestickt, die dem König als Vasallen dienten. In jedem Winkel spielten Musiker auf, und an jeder Straßenecke konnte man andere exotische Gaukler sehen: Schlangenbeschwörer der Rothwardonen, khajiitische Akrobaten, mächtige Magier und Artisten, deren geschickte Fähigkeiten es ihnen trotz mangelnden Zauberfähigkeiten erlaubten, ebenso mächtig zu erscheinen.

Der Anblick, der die meisten Männeraugen der Stadt fesselte, war der Marsch der Schönheit. Um die tausend hübsche, junge Frauen tanzten aufreizend gekleidet die lange, weite Hauptstraße entlang: vom Tempel der Sethiete zum königlichen Palast. Die Männer schubsten und drängelten einander, reckten ihre Hälse und wählten ihre Favoritinnen. Es war kein Geheimnis, dass all diese Frauen Prostituierte waren, die nach dem Marsch und dem Blumenfest in den Abendstunden noch für wesentlich intimere Vergnügungen zur Verfügung standen.

Gyna zog mit ihrem groß gewachsenen, wohlproportionierten Körper, der nur von ein paar Streifen aus Seide verdeckt wurde, und ihrem flachsblonden Haar, in das sie sich Blumen gesteckt hatte, viele Blicke auf sich. Fast 30 Jahre alt, war sie zwar nicht mehr die Jüngste, aber mit Sicherheit eine der Begehrtesten von allen. Obwohl man an ihrem Verhalten erkennen konnte, dass sie anzügliche Blicke gewohnt war, begeisterte sie die prunkvoll geschmückte Stadt. Im Vergleich zu dem schäbigen Quartier in Daggerfall, das sie ihr Zuhause nannte, schien Camlorn auf dem Höhepunkt der Festlichkeiten fast unwirklich schön. Und was noch viel seltsamer anmutete: Die Stadt, die sie nie vorher gesehen hatte, war ihr irgendwie vertraut.

Gräfin Jyllia, die Tochter des Königs, ritt aus den Toren des Palastes und verfluchte sofort die unpässliche Situation, in die sie geraten war. Denn sie hatte den Marsch der Schönheit gänzlich vergessen. In den Straßen herrschte völliges Chaos und an ein Fortkommen war kaum zu denken. Es würde noch Stunden dauern, bis der Marsch vorüber sein würde, und sie dabei hatte doch ihrem alten Kindermädchen Ramke versprochen, sie in ihrem Haus im Süden der Stadt zu besuchen. Jyllia überlegte einen Moment lang, stellte sich im Geiste die Straßenzüge vor und beschloss, eine Abkürzung an der Hauptstraße und am Marsch vorbei zu nehmen.

Ein paar Minuten lang ging ihr Plan auf. Sie bahnte sich ihren Weg durch schmale, verwinkelte Seitenstraßen, bis sie auf eine Reihe von Zelten und Buden stieß, die man für die Feierlichkeiten mitten auf dem Weg errichtet hatte. In wenigen Sekunden hatte sie sich in der Stadt verirrt, in der sie bis auf fünf Jahre ihr ganzes Leben verbracht hatte.

Am Ende einer Gasse sah sie die dicht bevölkerte Hauptstraße, in der der Marsch der Schönheit in vollem Gange war. In der Hoffnung, dass dieser Alptraum ein Ende nehmen und sie sich nicht erneut verirren würde, lenkte sie ihr Pferd in Richtung des Festes. Dabei übersah sie den Schlangenbeschwörer am Eingang der Gasse. Als dessen Schlange sich zischend aufrichtete, bäumte sich ihr Pferd voller Angst auf.

Die Frauen in der Parade hielten den Atem an und wichen zurück, aber es gelang Gräfin Jyllia schnell, ihren Hengst zu beruhigen. Beschämt sah sie sich den Aufruhr an, den sie verursacht hatte.

"Entschuldigt, meine Damen", sagte sie und machte dabei zum Scherz eine militärische Geste.

"Keine Ursache, werte Dame", antwortete eine in Seide gehüllte Blondine. "Wir sind gleich aus Eurem Weg verschwunden."

Jyllia starrte in die vorbeilaufende Menge. Der Blick auf diese Hure war wie ein Blick in den Spiegel gewesen. Alter, Größe, Haar, Augen und Figur waren fast genau gleich. Die Frau sah sich nach ihr um, so als hätte sie das Gleiche empfunden.

Und das hatte auch Gyna. Die alten Hexen, die des Öfteren nach Daggerfall kamen, sprachen manchmal von Doppelgängern - Geistern, die die Gestalt ihrer Opfer annahmen und Vorboten eines nahen Todes waren. Trotzdem hatte sie dieses Erlebnis nicht in Angst versetzt. Seltsamerweise fühlte sie sich jetzt in der fremden Stadt sogar heimischer als zuvor. Noch bevor der Marsch die Tore des Palastes erreicht hatte, hatte sie ihre seltsame Begegnung vergessen.

Die Prostituierten strömten in den Hof und der König trat persönlich auf den Balkon, um sie zu begrüßen. An seiner Seite stand sein Hauptleibwächter, der vom Aussehen her ein Kriegsmagier sein musste. Der König selbst war ein ansehnlicher, jedoch etwas unscheinbarer Mann mittleren Alters, dessen Anblick Gyna unglaublichen Respekt einflößte. Vielleicht war es ein Traum. Ja, so musste es wohl sein: Sie konnte ihn sehen, so wie sie ihn in ihren Träumen gesehen hatte. Er stand nun direkt über ihr und beugte sich herab, um sie zu küssen. Kein Kuss aus Leidenschaft, ein Kuss aus Höflichkeit würde es sein.

"Werte Damen, die Ihr die Straßen der großartigen Stadt Camlorn mit Eurer Schönheit erfüllt", rief der König und zwang damit die kichernde, murmelnde Menschenmenge zur Ruhe. Er lächelte stolz. Dann trafen seine Augen auf Gyna und er hielt betroffen inne. Eine Ewigkeit lang starrten sie sich an, bis Seine Hoheit sich wieder auf seine Pflichten besann und seine Rede fortsetzte.

Als die Frauen auf dem Weg zurück in ihre Zelte waren, um sich auf den Abend vorzubereiten, kam eine der älteren Prostituierten zu Gyna: "Habt Ihr gesehen, wie der König Euch angesehen hat? Wenn Ihr es schlau anstellst, seid Ihr die neue königliche Mätresse, noch bevor das Fest zu Ende ist."

"Ich weiß, was verzehrende Blicke sind, und das war keiner", entgegnete Gyna lachend. "Ich vermute, er hat mich mit jemandem wie der Dame verwechselt, die uns fast mit dem Pferd niedergetrampelt hätte. Sie gehört bestimmt zu seiner Familie und jetzt denkt er sicherlich, dass sie sich wie eine Kurtisane angezogen hat, um am Marsch der Schönheit teilzunehmen. Könnt Ihr Euch einen solchen Skandal vorstellen?"

Als sie bei ihren Zelten eintrafen, wurden sie von einem etwas stämmigen, aber gut gekleideten, glatzköpfigen jungen Mann begrüßt, den eine Aura der Autorität umgab. Er stellte sich als Fürst Strale vor, Botschafter des Kaisers und ihr Schirmherr. Er war es, der sie im Auftrag des Kaisers als Geschenk für den König und das Königreich Camlorn angeheuert hatte.

"Der Marsch der Schönheit ist nur ein Vorbote des Blumenfestes heute Abend", sagte er. Anders als der König musste er nicht schreien, um sich Gehör zu verschaffen. Seine Stimme war laut und in ihrer Modulation sauber und exakt. "Ich erwarte von jeder von euch, dass ihr gute Arbeit leistet und die nicht unbedeutenden Kosten rechtfertigt, die mir durch eure Einladung hierher entstanden sind. Jetzt beeilt euch. Ihr müsst umgezogen auf dem Cavilstyr-Felsen sein, bevor die Sonne untergeht."

Der Botschafter hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Anders als normale Frauen waren diese geübt darin, sich schnell an- und auszuziehen, ohne dabei viel Zeit zu verschwenden. Sein Diener Gnorbooth bot seine Hilfe an, hatte aber nur wenig zu tun. Ihre Kostüme waren einfach: Es waren dünne, weiche Laken mit einem Loch, um den Kopf hindurch zu stecken. Nicht einmal Gürtel waren vonnöten. So blieben die Seiten der Kleider offen und man konnte die Haut durchblitzen sehen.

So kam es, dass die Prostituierten, die sich nun in Tänzerinnen verwandelt hatten, schon lange vor Sonnenuntergang am Cavilstyr-Felsen waren: ein großer, breiter Felsvorsprung, auf dem zur Feier des Blumenfestes ein großer Kreis aus Fackeln und bedeckten Körben aufgestellt worden war. Obwohl sie viel früher als nötig dort eingetroffen waren, warteten bereits zahlreiche Schaulustige auf sie. Die Frauen begaben sich in die Mitte des Kreises und warteten ihrerseits, bis es an der Zeit war.

Gyna beobachtete die wachsende Menge und war nicht sonderlich überrascht, als sie die Dame vom Marsch wiedersah, die eine sehr alte und sehr kleine weißhaarige Frau an der Hand führte. Die alte Dame war abgelenkt und zeigte auf einige Inseln im Meer. Die blonde Frau schien unsicher zu sein, so als wüsste sie nicht genau, was sie sagen sollte. Gyna, die den Umgang mit schwierigen Kunden gewohnt war, ergriff zuerst das Wort. "Schön Euch wiederzusehen, edle Dame. Ich bin Gyna aus Daggerfall."

"Ich bin froh, dass Ihr mir wegen des Vorfalls mit dem Pferd nicht böse seid", sagte die Dame und lachte erleichtert. "Ich bin Gräfin Jyllia Raze, die Tochter des Königs."

"Ich dachte immer, dass man die Töchter von Königen Prinzessin nennt", sagte Gyna lächelnd.

"In Camlorn macht man das nur bei Thronerben so. Ich habe einen jüngeren Bruder, ein Sohn der neuen Frau meines Vaters, den er bevorzugt", entgegnete Jyllia. Sie spürte, wie ihr schwindelig wurde. Es war völliger verrückt, mit einer gewöhnlichen Prostituierten zu sprechen und dann auch noch über intimste Familienverhältnisse. "Wo wir gerade bei diesem Thema sind, muss ich Euch etwas fragen. Habt Ihr je von Prinzessin Talara gehört?"

Gyna dachte einen Moment lang nach: "Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Warum sollte ich?"

"Ich weiß nicht. Das ist ein Name, von dem ich dachte, dass Ihr Euch vielleicht daran erinnern könntet", seufzte Gräfin Jyllia. "Wart Ihr schon einmal in Camlorn?"

"Falls ja, muss ich damals noch sehr jung gewesen sein", sagte Gyna, und plötzlich überkam sie das Gefühl, diesmal von ihrer Seite Vertrauen zeigen zu müssen. Irgendetwas an Gräfin Jyllias freundlicher und entgegenkommender Art berührte sie zutiefst. "Um ehrlich zu sein, ich kann mich an nichts aus meiner Kindheit erinnern, was vor meinem zehnten Geburtstag geschehen ist. Vielleicht war ich mit meinen Eltern, wer immer die auch waren, hier, als ich noch ein kleines Mädchen war. Ich habe durchaus das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, aber die Stadt, der König und Ihr scheint ... es scheint mir so, als hätte ich das alles vor langer Zeit schon einmal gesehen."

Gräfin Jyllia schluckte und trat einen Schritt zurück. Sie nahm die alte Frau, die auf das Wasser blickte und dabei etwas murmelte, bei der Hand. Die verhutzelte Gestalt sah Jyllia erstaunt an und drehte sich dann zu Gyna um. Ihre trüben, halbblinden Augen funkelten auf und sie stieß ein Geräusch des Erstaunens aus. Gyna schreckte zurück. Wenn der König wie jemand aus einem halbvergessenen Traum war, so war dies eine Person, die sie kannte. So klar und doch so undeutlich wie ein Schutzgeist.

"Ich muss mich entschuldigen", stammelte Gräfin Jyllia. "Das ist mein altes Kindermädchen, Ramke."

"Sie ist es!" schrie die alte Frau und riss dabei die Augen weit auf. Sie versuchte, mit offenen Armen nach vorne zu laufen, aber Jyllia hielt sie zurück. Gyna fühlte sich seltsam nackt und zog ihren Umhang enger um ihren Körper.

"Nein, da irrt Ihr Euch", flüsterte Gräfin Jyllia Ramke zu und hielt sie fest. "Die Prinzessin Talara ist tot. Ihr solltet das wissen. Ich hätte Euch nicht herbringen dürfen. Ich werde Euch wieder nach Hause bringen." Sie drehte sich mit Tränen in den Augen zu Gyna um. "Die gesamte königliche Familie von Camlorn wurde vor über zwanzig Jahren umgebracht. Mein Vater, der Herzog von Oloine, war der Bruder des Königs und erbte daher die Krone. Es tut mir leid, Euch belästigt zu haben. Gute Nacht."

Gyna blickte Gräfin Jyllia und dem alten Kindermädchen hinterher, als diese in der Menge verschwanden. Es blieb ihr allerdings wenig Zeit, über die Dinge, die sie gehört hatte, nachzudenken. Die Sonne ging unter und es war an der Zeit für das Blumenfest. Zwölf junge Männer traten, nur mit Lendenschurz bekleidet, aus der Dunkelheit und entzündeten die Fackeln. Als das Feuer aufflammte, rannten Gyna und die anderen Tänzerinnen zu den Körben und zogen Blumen und Weintrauben heraus.

Zuerst tanzten die Frauen nur miteinander und streuten dabei Blumen in den Wind. Als die Musik dann lauter wurde, schloss sich die Menge dem Reigen an. Es war ein verrücktes, wunderschönes Durcheinander. Gyna drehte sich und hüpfte wie eine Waldnymphe. Dann, ohne Vorwarnung, spürte sie plötzlich, wie raue Hände sie von hinten ergriffen und ihr einen Stoß versetzten.

Noch bevor sie verstand, was geschah, war sie schon im Fallen begriffen. Als sie sich ihrer Lage bewusst wurde, befand sie sich bereits nahe des Fußes der gut 30 Meter hohen Klippe. Sie breitete die Arme aus und griff nach der Felswand. Ihre Finger schlugen gegen den Stein, der ihr das Fleisch aufriss, doch es gelang ihr, Halt zu finden. Einen Moment lang hielt sie inne und atmete schwer. Dann begann sie zu schreien.

Doch die Musik und der Lärm des Festes waren zu laut: Niemand konnte sie hören, sie konnte ihre Schreibe kaum selbst hören. Unter ihr krachte die Brandung an den Fels. Jeder Knochen ihres Körpers würde beim Sturz brechen. Sie schloss die Augen und eine Vision kam näher. Ein Mann stand unter ihr. Ein König, voll von Mitgefühl und Weisheit, sah zu ihr hinauf und lächelte. Ein kleines Mädchen mit goldenen Haaren, vielleicht ihre beste Freundin, hing am Felsen neben ihr.

"Das Geheimnis beim Fallen ist, sich zu entspannen und den Körper ganz locker zu lassen. Mit ein bisschen Glück wird dir nichts geschehen", sagte das Mädchen. Sie nickte, als ihr einfiel, wer sie war. Acht Jahre der Dunkelheit lüfteten sich.

Sie lockerte ihren Griff und ließ sich wie ein Blatt in die Tiefen des Wassers unter ihr fallen.

— Mera Llykith